Vorläufige Festnahme - Das einfache Zwangsmittel für Jedermann?

  • Luvbreads' Exkurse der Gesetzeswelt


    In dieser kurzen Newsreihe erzähl ich euch etwas über eure und andere Rechte, Vorschriften, alles was den normalen Mensch an Gesetzen interessieren könnte. Im heutigen Artikel erzähle ich euch etwas über die Vorläufige Festnahme nach der Deutschen StPO.


    Stellt euch folgendes vor: Ihr geht Abends spazieren, kehrat gerade zu deinem Haus zurück. Und da bemerkst du eine schwarze Kreatur, die gerade dein Fenster einschlägt und durch dieses Ensteigen will. Wie dumm wäre es, wenn der Staat unter Strafe stellen würde, dass du ihn Festhalten würdest, bis die Polizei eintrifft? Selbstverständlich ist das nicht! Ein Festhalten, auch wenn es ein Dieb ist, verwirklicht die Straftaten der Freiheitsberaubung gem. §239 StGB und der Körperverletzung gem. §223 StGB, wenn du dem Dieb eine reinhaust oder ihn durch das Festhalten Schmerzen zufügst. Was wäre das für ein Mist, wenn dich der Dieb dann anzeigt, und du noch eine schlimmere Strafe als er Erhalten würdest? Damit dies nicht Möglich ist, muss der Staat dir einen Rechtfertigungsgrund in die Hand drücken, eine legitimation für Straftaten die du begehst. Er tut dies mit dem


    §127 I StPO - Die Vorläufige Festnahme.



    Dieses Recht ist in Deutschland ein Jedermannsrecht, das heisst auch du kannst dieses Recht nutzen. Es gibt da aber nur ein paar Kanten, die zu Beachten sind. Ansonsten kommt ihr schnell in oben genannte Straftaten rein, da eure Festnahme nicht rechtmäßig war. Der Absatz 2 ist übrigens nur von Staatsanwalt und Polizisten verwendbar, und auch nicht gerade einfach gestrickt. Ich lasse den einfach mal aus. Andere Rechtfertigungsgründe wären zum Beispiel die Notwehr.


    Zitat von 127 I StPO

    (1) Wird jemand auf frischer Tat betroffen oder verfolgt, so ist, wenn er der Flucht verdächtig ist oder seine Identität nicht sofort festgestellt werden kann, jedermann befugt, ihn auch ohne richterliche Anordnung vorläufig festzunehmen. Die Feststellung der Identität einer Person durch die Staatsanwaltschaft oder die Beamten des Polizeidienstes bestimmt sich nach § 163b Abs. 1.

    Diese Befugniss gibt euch die Möglichkeit zur Festnahme, wenn jemand auch frischer Tat betroffen oder der Flucht verdächtig ist oder seine Identität nicht sofort festgestellt werden kann. Was bedeutet das nun alles?
    Eine Vorläufige Festnahme für den Jedermann ist nur zulässig wenn:


    • Jemand auf frischer Tat betroffen ist. Jemand ist auf frischer Tat betroffen, wenn du ihn dabei siehst und beobachtest, hörst oder dich unmittelbar im Wirkungsbereich aufhälst und dann dazustößt, wie jemand Straftaten begeht. Dies ist nur bei Straftaten möglich, niemals bei Ordnungswidrigkeiten! Einen Falschparker darfst du niemals vorläufig Festnehmen.
    • Der Flucht verdächtig ist jemand, wenn Tatsachen die Annahmen rechtfertigen, dass sich dieser verziehen wird. Tatsachen sind zum Beispiel ein bereitgestelltes Fluchtfahrzeug, eine aggressive Haltung, eine schwere Tat.
    • Die Identität ist nicht sofort feststellbar, wenn dieser flüchtet. Dies ist ein reines Jedermannsrecht, da der Dieb gegenüber dem Bürger keine Pflicht hat, einen Ausweis vorzuzeigen. Die Polizei hat hier andere Befugnisse, die dieser Vorgehen. (§163b StPO)

    Die Straftaten müssen nicht gegen dich verübt worden sein. Solltest du einen Dieb in ein fremdes Haus einsteigen sehen, kannst du das auch an ihm anwenden.
    Sollte einer dieser recht simplen Gründe vorliegen, kannst du jemanden Festnehmen, und dies auch ohne richterliche Anordnung. Im Deutschen Gesetzt setzt jeder Freiheitsentziehende Maßnahme eine richterliche Erlaubnis voraus, außer diese ist so kurz, dass dies nicht möglich wäre. (Identitätsfestellung der Polizei, Anhalten zur Durchsuchung, Gefahr im Verzug)


    Huch? Was gemerkt? Stell dir folgendes vor: Der Dieb flüchtet, du konntest aber sein Gesicht erkennen. Am nächsten Tag siehst du ihn in der Fußgängerzone. Dieb! Denkst du dir. Aber keiner der oben genannten Gründe liegt vor. Heisst das, dass du ihn nicht Festnehmen darfst? Nun, richtig. Eine solche Festnahme wäre unrechtmäßig, zumindest nach diesem Paragraphen. Hierfür gibt es eine andere Befugnis aus dem BGB, der sogenannten Selbsthilfe gem. §229 BGB.


    Zitat von §229 BGB

    Wer zum Zwecke der Selbsthilfe eine Sache wegnimmt, zerstört oder beschädigt oder wer zum Zwecke der Selbsthilfe einen Verpflichteten, welcher der Flucht verdächtig ist, festnimmt oder den Widerstand des Verpflichteten gegen eine Handlung, die dieser zu dulden verpflichtet ist, beseitigt, handelt nicht widerrechtlich, wenn obrigkeitliche Hilfe nicht rechtzeitig zu erlangen ist und ohne sofortiges Eingreifen die Gefahr besteht, dass die Verwirklichung des Anspruchs vereitelt oder wesentlich erschwert werde.

    Ich werde nicht genauer darauf eingehen, hierbei ist jedoch eine Sache wichtig zu wissen: Dies ist nur Anwendbar bei Zivilrechtlichen Rechten, die dir zustehen würden. Einer macht dein Fenster kaputt, du möchtest es Ersetzt haben, kennst aber seinen Namen nicht. Er flüchtet.
    Am nächsten Tag triffst du ihn. Da er bereits geflüchtet ist, besteht die Gefahr dass dein Anspruch verteitelt wird, und da obrige Hilfe (Polizei) nicht rechtzeitig erlangt werden kannst, bist du befugt, diesen festzuhalten, bis eben Obrige Hilfe eintrifft.


    Weiter im Text mit dem 127er: Wars das schon? Einfach Festhalten und machen was man will? Nicht so einfach. Da wir ein Rechtsstaat sind, sind auch die Menschenrechte des Einzelnen, auch wenn es ein Straftäters ist, geschützt. So musst du, auch wenn da nichts steht, gem. der MRK (Menschenrechtskonvention) demjenigen, denn du Festnehmen möchtest, den Grund der Maßnahme bekannt geben, und dass sofort. Du tust dies vor der Festnahme zum Beispiel mit folgenden Worten:


    "Ich nehme Sie aufgrund des Verdachts des Einbruchsdiebstahls vorläufig fest!"

    Tust du das nicht, ist deine Maßnahme unrechtmäßig!


    Und dannach? Am Arm packen und für 2 Wochen in den Keller? Nein. Auch der 127 hat eine Befugnisnormergänzende Vorschrift:

    Zitat von §128 StPO

    (1) Der Festgenommene ist, sofern er nicht wieder in Freiheit gesetzt wird, unverzüglich, spätestens am Tage nach der Festnahme, dem Richter bei dem Amtsgericht, in dessen Bezirk er festgenommen worden ist, vorzuführen. Der Richter vernimmt den Vorgeführten gemäß § 115 Abs. 3.

    Diese Vorschrift ist zu beachten, ansonsten wird deine Maßnahme unrechtmäßig. Den Richter verständigen? Am nächsten Tage? Hört sich nach viel Zeit und Arbeit an. Tatsächlich richtet sich diese Stelle speziell an Polizisten. Jedoch hat hier dadurch der Jedermann auch die Pflicht der unverzüglichen Richtervorführung. Er tut dies, indem er unverzüglich die Polizei anruft. Dies bedeutet, ab dem Zeitpunkt wo es möglich ist, und nicht wann der Bürger es möchte, muss er die Polizei verständigen. Ansonsten handelt er strafbar.


    Und wie stellst du dass an? Im 127 I steht nichts von Gewalt. Tatsächlich ist die StPO älter als unsere Bundesrepublik. Der Zwang ist daher in jeder StPO Maßnahme inbegriffen, das heisst, du kannst jemanden mit Gewalt zum Warten zwingen, bis die Polizei eintrifft. Hierbei ist aber die Notwendigkeit und die Verhältnismäßigkeit zu beachten. Die Maßnahme muss notwendig sein, da er sich zum Beispiel wehrt, und verhältnissmäßig sein. Du kannst niemanden erschiesen, wenn auch ein am Arm packen gereicht hätte. Auch das Anlegen von Handschellen ist nicht zulässig, wenn der Dieb sich nicht so stark wehrt, dass es notwendig werden würde, um ihn von der Flucht abzuhalten.


    Verdrescht du jemanden nun einfach so, weil du meinst, du wärst gerechtfertigt.. Nein. Dies wäre dann eine von dir Begangene Straftat. Auch wenn der Dieb flieht und sich wehrt, kannst du nicht auf ihn einprügeln, vor allem wenn er aufgegeben hat. Es darf nur das gemacht werden, was absolut notwendig ist.